5 nach 12, oder warum wir nicht bremsen können

18.10.2023

Innsbruck, Schwaz und Sautens

Die Uhren stehen still

Der Kern des Projekts „5 nach 12“

Von fünf Minuten nach Mitternacht bis fünf Minuten nach Mittag standen am 18. Oktober 2023, dem Hauptaktionstag des Projekts „5 nach 12“, zahlreiche Uhren still und machten somit stumm auf sich aufmerksam. An der Aktion beteiligten sich verschiedenste Institutionen in Innsbruck, Sautens und Schwaz. Gemeinsam ließen sie ein Symbol der Zeitlosigkeit entstehen.

5 nach 12, Uhr am IKB-Gebäude

Zu den augenfälligsten „Teilnehmenden“ des Projekts gehörten die beiden größten Uhren in Innsbruck. Am Turm der Innsbrucker Kommunalbetriebe (IKB), die auch eine Hotline zum Thema eingerichtet hatten, zeigten sie weithin sichtbar 0:05 Uhr an, ebenso die Kirchturmuhren an der Serviten- und der Spitalskirche im Zentrum. Das Uhrengeschäft Pfister stoppte alle seine Uhren in der Auslage fünf Minuten nach Mitternacht und ließ ihnen um 12:05 Uhr wieder freien Lauf. An der Kirche St. Nikolaus machten Schilder auf die stehengebliebene Zeit aufmerksam, auch wenn das Anhalten der Zeiger aufgrund technischer Hindernisse nicht glückte. Denn der Zweck der Uhren ist ja gerade nicht stehenzubleiben, wie Karl Munter von den Absamer Läuteanlagen beim nächtlichen Aufstieg und (gelungenen) Anhalten der Zeit am Innsbrucker Stadtturm anmerkte: „Normalerweise stellen wir die Uhren genau ein. Wir halten sie nicht an.“

Und doch: Viele wunderten sich bei einem Blick auf die öffentlichen Uhren Innsbrucks über die stehengebliebene Zeit. Für sie alle richteten Richard Schwarz und andere Mitwirkende am Projekt zwei Infostände am Hauptbahnhof und vor der Spitalskirche in der Maria-Theresien-Straße ein. Dort verteilten sie die zu „5 nach 12“ gestaltete Zeitung und sprachen mit Vorbeieilenden und -flanierenden über die Zeit. Bei den einen weckte das Projekt Assoziationen zum Drehen langsamer Filme und zur Rolle des Rhythmus in der Musik, andere erlebten vormittags eine Schrecksekunde über die scheinbar schon auf 12:05 Uhr vorgerückten Zeiger oder sinnierten über ein Zitat von Friedrich Nietzsche aus dem Jahr 1878, das in der Projektzeitung abgeduckt war: „Aus Mangel an Ruhe läuft unsere Zivilisation in eine neue Barbarei aus. Zu keiner Zeit haben die Tätigen, das heißt die Ruhelosen, mehr gegolten. Es gehört deshalb zu den notwendigen Korrekturen, welche man am Charakter der Menschheit vornehmen muß, das beschauliche Element in großem Maße zu verstärken.“ (Friedrich Nietzsche: Menschliches, Allzumenschliches)

5 nach 12, Verteilen der Projektzeitung am Bahnhof Innsbruck

Ein Ort für derartige Gespräche über Philosophie, über Zeit und Zeitlosigkeit fand sich an der „Innehaltestelle“, einer Leihgabe des seit den 1990er-Jahren von Klagenfurt aus tätigen Vereins zur Verzögerung der Zeit. Das Schild mit der zeigerlosen Uhr und die vier Stühle drum herum regten manchen genau dazu an: innezuhalten, sich niederzulassen und die Zeit bis zum Wiederanlaufen der Uhren um 12:05 vergehen zu lassen.