5 nach 12, oder warum wir nicht bremsen können

Kunstraum Schwaz

Franz-Josef-Straße 27
6130 Schwaz

12.10.2023

„Es spart Zeit“

Ein Abend zu Zeit und Smartphone

Es spart Zeit, Sujet Abendveranstaltung

Das Zeitexperiment „Es spart Zeit“ bot im Rahmen des Kunstprojekts „5 nach 12“ einer Gewinnerin die Möglichkeit, 24 Stunden ohne Smartphone zu verbringen, frei vom Netz der damit verbundenen zeitlichen Zwänge und Informationen. Wer Julia Spiß vom Abend des 11. bis zum Abend des 12. Oktober 2023 telefonisch zu erreichen versuchte, hörte die Ansage: „Einen schönen guten Tag! Das Smartphone unter diesem Anschluss ist Teil des Experiments ‚Es spart Zeit‘ im Rahmen des Kunstwerks ‚5 nach 12‘. Bis zum Abend des 12. Oktober steht Ihnen hier niemand zur Verfügung. Was eine Abgabe des Smartphones für einen Tag für die Teilnehmenden und ihr Umfeld bedeutet und was Smartphones allgemeiner mit Zeit zu tun haben, ist Thema der Veranstaltung ‚Es spart Zeit‘ im Kunstraum Schwaz am 12. Oktober um 19 Uhr. Sie sind herzlich eingeladen.“



Besprochen wurden an diesem Abend der eigene Umgang mit Zeit und die Rolle, die das Smartphone im Zeitmanagement jeder und jedes Einzelnen spielt bzw. in Zukunft spielen könnte. Welche technische Entwicklung der Zeitoptimierung steckt dahinter und wie viel Macht und Ohnmacht gegenüber der Zeit birgt das Gerät in sich? Und wie wollen wir im Wissen davon unsere Zeit künftig verbringen?

Für Julia Spiß ergab sich die Antwort auf diese letzte Frage im Experiment. Denn erst wenn das Smartphone für eine Weile fehlt, wird bewusst erfahrbar, wie viel Zeit-Raum es im täglichen Leben einnimmt. Julia Spiß: „Mit dem Smartphone werden mehr Textnachrichten gesendet. Das Schreiben hat das Reden ersetzt, und wenn man sich Emotionen ersparen will, dann schreibt man. Wenn ich am Abend Zeit hätte, gehe ich zum Handy – social media –, und dann sind gleich einmal zwei bis drei Stunden weg, auch wenn der Inhalt Blödsinn oder gar verstörend ist.

An dem Abend ohne Smartphone war ich um halb zehn/zehn zu Hause, habe die Wäsche gemacht, den Spüler eingeräumt – was ich sonst nicht getan hätte –, habe gelesen und einfach einen ruhigen Abend genossen.“ Deshalb und weil nach dem Wiedereinschalten des Smartphones 35 WhatsApp-Nachrichten und 15 Anrufe auf Julia Spiß warteten, weil Plattformen, auf denen sie Accounts betreut, sie „bedrängten, Content einzustellen“, zog sie am Ende des Zeitexperiments den Schluss: „Ich will das so nicht mehr haben und werde das Handy öfter weglegen.“

Zum Hintergrund

Eine Werbung für den Apple IIe aus dem Jahr 1984 behauptete: „Über 750.000 Menschen haben mehr Zeit“, weil sie mit dieser Maschine arbeiten. Seitdem wurde diese „Zeitsparmaschine“ klein, rechenstark, vernetzt – und allgegenwärtig. Damit ist potenziell alles, was sich auf 0 und 1 reduzieren lässt, in Reichweite – mit dem Gerät hat man virtuell die Welt in der Hand.

Doch ist dieses „alles“ nicht bloß Information, nichts von Dauer, nichts, das Eindruck hinterlässt oder berührt – und die Welt wird stumm und nicht mehr zu verstehen? Im Grunde steht das für eine positive Zeiterfahrung so nötige „Dasein“ auf dem Spiel, da man potenziell überall sein könnte und nirgends wirklich ist. Das Kalkül, dass eine Beschleunigung des Lebens dieses vervielfachen würde, ist wohl naiv, denn „es beruht“, wie der Philosoph Byung-Chul Han es formuliert, „auf einer Verwechslung der Erfüllung mit bloßer Fülle“.

Eine Aktion in Kooperation mit dem Kunstraum Schwaz im Rahmen der Förderaktion Kunst im öffentlichen Raum Tirol 2023